Fragt man 10 Leute, was sie unter „Gesunder Ernährung“ verstehen, wird man 10 unterschiedliche Antworten erhalten. Viel Gemüse, wenig Fett, keine “schlechten Kohlenhydrate” und das am besten vor 18.00 Uhr? Oder lieber viel Fleisch, möglichst Bio und dafür keine Getreide? Die Wahrnehmung von gesunder Ernährung ist vielfältig. “Essen und Trinken” erfüllt uns mit Genuss und bedeutet Lebensfreude, die man sich nicht nehmen lassen möchte. Schon gar nicht von der Wissenschaft. Eine Studie überholt die nächste, ein Beweis scheint besser als der andere. Nicht selten geht es dabei auch um finanzielle Interessen. Uns plagt dagegen oft das schlechte Gewissen: “Darf ich das essen? Wie soll ich mich gesund ernähren, wenn ich doch kaum Zeit habe? Was ist eigentlich gesund?”
Keine Angst! Von mir sind keine weiteren Beweise zu befürchten, auch kein erhobener Zeigefinger. Aber eine eigene Meinung, meine Sicht der Dinge.
Die Frage nach einer gesunden Ernährung bewegt mich seit Langem. Nicht, weil ich das Gefühl habe, mir geht es schlecht, sondern eher aus Neugierde. Früher gab es für den Großteil der Bevölkerung keine Wahl zwischen guter und schlechter Ernährung. Auch heute geht es dem großen Teil der Weltbevölkerung noch so. Es wurde gegessen, was gerade greifbar war. Meist kamen die Lebensmittel aus der eigenen Landwirtschaft oder eigenen Jagd, mit Sicherheit aus der Region. Bio war es auch und nachhaltig allemal. Mit Sicherheit war Essen im Überfluss aber Mangelware.
Heute leben wir in einer anderen Zeit und der Anspruch der Gesellschaft hat sich grundlegend verändert. Lebensmittel im Überfluss, schier unendliche Entscheidungsmöglichkeiten. Die “Convenience” ist zum Maßstab geworden, die Ressourcen sind endlich und der größte Teil der Bevölkerung lebt weit entfernt von Landwirtschaft und Erzeugung. In dieser modernen Welt des Überangebots ist die Frage nach einer gesunden Ernährung also berechtigt. Für mich bedeutet gesunde Ernährung mehr als nur Essen und Trinken. Gesunde und faire Ernährung – oder besser moderne Ernährung – ist für mich ein Lebensstil, der auf 7 Säulen basiert, keine Checkliste, aber ein erstrebenswerter Weg:
Säule 1 für eine gesunde Ernährung: Genuss
Genuss steht an erster Stelle! Ich kenne kaum jemanden für den Essen nicht auch immer Genuss ist. Es muss ja nicht jede Mahlzeit eine Gaumenexplosion sein, aber der Gedanke an ein Essen, das nicht schmeckt, ist auch nicht schön. Guter Geschmack und Genuss sind eben ein Garant dafür, dass wir essen. Dafür hat die Natur in Verbindung mit einem Hungergefühl gesorgt. Ich bin davon überzeugt, dass ein Essen ohne Genuss auch nur kurzfristig funktioniert. In Zeiten der Krise oder weil man ein körperliches Ziel erreichen möchte, wie das Abnehmen. Aber wirklich nur kurzfristig! Wer länger auf die Gaumenfreude verzichtet, verpasst nicht nur Lebensfreude, sondern wird sich irgendwann das wiederholen, wonach der Körper begehrt und vermutlich zuviel davon. Egal welches Ernährungsziel man für sich finden will, er sollte dauerhaft schmecken, sondern wird es nicht funktionieren!
Säule 2 für eine gesunde Ernährung: Vollwertigkeit und Natürlichkeit
Vollwertigkeit steht im Zusammenhang mit einer gesunden Ernährung vor allem für die Qualität der Zutaten. Ich bin überzeugt, dass die Natur alle Zutaten für uns bereit hält, die unser Körper braucht. Ich bevorzuge immer möglichst naturbelassene Lebensmittel, wobei ich nicht auf Rohkost bestehe. Allerdings nimmt rohes Obst und Gemüse einen immer größeren Anteil in meiner täglichen Ernährung ein. Basis ist ein hoher Obst- und Gemüseanteil. Teilweise auch in Form von grünen Smoothies. Daneben gibt es für den Kohlehydratanteil in meiner Ernährung noch Naturreis, Vollkornnudeln und Vollkornbrot, am liebsten aus Dinkel- oder Roggenmehl. Da ich intensiv Sport treibe, sind die vollwertigen Kohlenhydrate wichtiger Energielieferant. Das hat auch damit zu tun, dass mein Fleisch- und Fischkonsum drastisch gesunken ist. Daneben gibt es Milchprodukte (Käse und Quark), Nüsse (Mandeln und Walnüsse bevorzugt) und Eier. Hochwertige Fette wie Olivenöl, Butter oder die Öle in Hanf-, Chia- und Leinsamen stehen auch auf dem Speiseplan. Süßes und Fettiges ist die Ausnahme. Für mich ist gekochtes Essen genauso gut wie rohes, allerdings ist mir oft nach “Frischem”. Essen wird bei mir fast ausschließlich selbst zubereitet. Wenn ich essen oder einkaufen gehe, achte ich darauf, dass keine Geschmacksverstärker, Farbstoffe oder Ähnliches verarbeitet wurden. Ich bin davon überzeugt, dass mein Körper sie nicht braucht.
Säule 3 für eine gesunde Ernährung: Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit bedeutet für mich, dass unser Konsum von heute nicht dazu führen darf, dass die Generation von morgen die ökologische Rechnung dafür präsentiert bekommt. Es ist inzwischen bekannt, dass vor allem der hohe Konsum von tierischen Produkten, allen voran Fleisch, dazu führt, dass die Viehzucht einen wesentlichen Anteil an der CO2-Produktion einnimmt und damit unser Klima ungünstig beeinflusst. Der bewusste Verzicht, gelegentlich oder auch dauerhaft, hilft! Für mich ein Grund, dass ich meinen Fleischkonsum auf ein Minimum reduziert habe. Wer zudem Bio-Lebensmittel kauft, kann dazu beitragen, dass unsere Landwirtschaft nachhaltiger und regenerativer produziert. Fisch ist auch nicht immer die beste Alternative, trotz seiner vielbeschworenen gesunden Inhaltsstoffe. Leider sind viele Fischarten bereits ausgerottet, viele andere gefährdet. Verbindet man Nachhaltigkeit dann noch mit dem Gedanken des fairen Handels, so unterstützt man durch den Kauf von nachhaltigen Lebensmitteln die Produzenten auf der Welt, die nicht selten zu Gunsten unserer Billigpreise ausgebeutet werden und deren Natur durch Massenkonsum in Mitleidenschaft gezogen wird.
Säule 4 für eine gesunde Ernährung: Respekt
Rücksicht zu nehmen und Respekt zu haben, halte ich für eine gute Lebenseinstellung. Dies gilt auch im Umgang mit Ernährung. Alle Lebensmittel, die wir konsumieren, werden irgendwo produziert. Die günstigen Preise im Supermarkt oder Discounter um die Ecke müssen irgendwo anders erwirtschaftet werden. Dies geht oft zu Lasten der Natur und nicht selten führt der Preisdruck zu Dumpinglöhnen in den Erzeugerländern. Bewusstes Einkaufen von Lebensmitteln bedeutet für mich Respekt vor dem Essen. Beim Konsum von tierischen Produkten kommt für mich noch eine weitere Facette hinzu. Wir töten Tiere, um uns zu ernähren. Moralisch sollte sich jeder mit diesem Gedanken auseinandersetzen und eine eigene Umgangsweise damit finden. Ich mag den Geschmack von Fleisch, bin damit groß geworden. Aber ich verzichte bewusst. Es gibt nur ganz seltene Ausnahmen, ich brauche diesen “Cheat day” manchmal. Fleischkonsum ist heute leider zur Massenware geworden, der Konsum ist höher denn je. Tiere werden nicht mehr als solche gesehen, sondern nur noch als Rohstoff, der ausgebeutet wird. Die unwürdige Massentierhaltung ist längst Realität. Dies ist nichts für mich. Wenn ich esse, isst auch ein Stück weit mein Gewissen mit, selbst bei größtem Appetit.
Säule 5 für eine gesunde Ernährung: Toleranz
Es gibt unzählige Ernährungsformen, -stile, Diäten und Lebensauffassungen. Da ist es ganz natürlich, dass es verschiedene Geschmäcker und Überzeugungen gibt. Manche sind wissenschaftlich begründet, andere moralisch, manche auch nur trendy und ganz viele sind auch den persönlichen finanziellen Verhältnissen geschuldet. Leider hat nicht jeder die Möglichkeit, alle tollen Ideen umzusetzen, die es in Bezug auf eine ausgewogene, nachhaltige Ernährung gibt. Manchmal ist es einfach zu teuer! Oftmals gibt es aber auch kulturelle, ethnische oder soziale Unterschiede, die für eine Differenzierung verantwortlich sind. Das sollte man tolerieren, egal ob man überzeugter Veganer, Paleo-Anhänger, Rohköstler oder Durchschnittskonsument ist. Veränderung ist immer ein Prozess bei dem die Menschen mitgenommen werden müssen. Dazu braucht man Verständnis und Respekt für die individuelle Lebenssituation. Trotzdem darf man ruhig mal ein paar Tipps geben. Tolerant sein sollte man aber auch gegenüber sich selbst. Dinge auch mal anders machen. Warum nicht mal das Stück Kuchen essen, einfach weil es schmeckt? Oder doch die Soße essen, obwohl Sahne drin ist. Der eigene Stil muss ja nicht dazu führen, dass wir uns ausgrenzen.
Säule 6 für eine gesunde Ernährung: Alltagstauglichkeit
Wir wissen ziemlich genau, was wir essen sollten, was gesund ist, wo wie viele Nährstoffe enthalten sind und welches Rezept am besten zum Rotwein passt. Ich vermisse bei all den wertvollen Ratschlägen oft ein wenig Alltagstauglichkeit. Alltag ist meistens nicht der Supermarkt vor der Tür, der die exotischen Superfoods oder Superfruits in der Biovariante aus fairem Handel vorrätig hat. Der Hinweis, dass Weizengras ein hochwertiges und extrem nährstoffreiches Lebensmittel ist, mag richtig sein. Wer das Pulver probiert hat, weiß, dass es nicht gerade ein Genuss ist. Alltagstauglich wäre der redaktionelle Hinweis gewesen, dass man bestenfalls die Tablettenvariante kauft. Für viele Menschen heißt Alltag auch Hektik, Stress, viel Arbeit, wenig Zeit, Kinder und oftmals alles gleichzeitig. Gerade hier dürfen Ernährungstipps alltagstauglich und machbar sein.
Säule 7 für eine gesunde Ernährung: Bewegung und gesunde Ernährung
Bewegung und Ernährung sind für mich zwei untrennbar miteinander verbundene Alltagsbegleiter. Unser Körper verlangt nach Essen und Trinken, wenn er arbeitet. Bewegung ist heute aber nicht für Jeden fester Bestandteil des Alltags. Im Gegenzug gibt es aber kalorienreiche und kaloriendichte Nahrung im Überfluss. Das natürliche Gleichgewicht gerät dann nur zu schnell aus dem Gleichgewicht. Darum ist Bewegung wichtig (aber nicht nur dafür!). Gottseidank gibt es heute auch viele Möglichkeiten, um sich zu bewegen und dabei noch Spaß zu haben. Die Auswahl an Sportarten und Freizeitangeboten ist fast so groß wie die Lebensmittelvielfalt. Man muss nur wollen. Wer nur wenig Zeit hat, fängt vielleicht einfach mit dem Treppengehen statt Fahrstuhlfahren an.
Meinen Ernährungsstil habe ich “Veggie 95” getauft. Hier versuche ich möglichst viele Elemente einer gesunden und fairen Ernährung zu vereinen. Nicht immer alles auf einmal, aber so viel wie eben möglich!
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